Grenzwerte


Die Beurteilung der Immissionen von Luftschadstoffen erfolgt durch Vergleich der Messergebnisse mit verschiedenen Beurteilungswerten wie Grenz-, Richt-, Prüf-, Schwellen- und Zielwerte, die in nationalen und internationalen Gesetzen und Richtlinien des Bundes, der Europäischen Union - EU sowie der Weltgesundheitsorganisation - WHO enthalten sind. Die aktuellen Immissionsgrenz-, -richt- und -leitwerte können Sie hier in einer UMAD-Dokumentation im pdf-Format über Acrobat Reader einsehen.

Grenzwerte bezeichnen die rechtlich zulässigen Höchstwerte für Schadstoffe in der Luft, in Nahrungsmitteln und Trinkwasser und sollen Mensch und Natur nach Möglichkeit vor schädlichen Beeinträchtigungen schützen. Grundlage zur Ermittlung von Grenzwerten sind Wirkungsschwellen einschl. der Kenntnisse über Wirkungsprofile, d.h. über reversible oder irreversible Auswirkungen von Schadstoffen. Toxikologisch begründete Grenzwerte werden auf der Grundlage sämtlicher Informationen über die

Roter Ball Wirkungseigenschaften,
Roter Ball Dosis-Wirkungsbeziehungen und den
Roter Ball Wirkungsmechanismus

als höchste unwirksame Dosis festgelegt. Diese wird um einen Sicherheitsfaktor erniedrigt, um sowohl unterschiedliche Empfindlichkeiten zwischen Tier und Mensch als auch individuelle Empfindlichkeiten innerhalb der Bevölkerung zu berücksichtigen.

Methoden zur Untersuchung der Auswirkungen von Luftschadstoffen auf die menschliche Gesundheit als Basis für die Festlegung von Grenzwerten sind Tests an Zellkulturen oder Enzymsystemen, Tierversuche am lebenden Organismus, Biomonitoring, d.h. Ermittlung von Stoffkonzentrationen in Körperflüssigkeiten und Geweben, Untersuchungen an freiwilligen Personen,  epidemiologische Untersuchungen und/oder Auswertung von Morbiditäts- und Mortalitätsstudien.

Für krebserzeugende oder erbgutverändernde Stoffe können keine Grenzwerte angegeben werden, weil bereits kleinste Mengen Schädigungen verursachen können, die sich nicht mehr zurückbilden. Ihre Wirkung ist also irreversibel. In Abhängigkeit von der Gesamtdosis und Einwirkdauer können die Schäden bis zur Bildung von Tumoren führen.

Familie

Die festgelegten Grenzwerte für Schadstoffe beziehen sich aber in der Regel auf gesunde Erwachsene. Das heißt, dass Umweltgifte bei Risikogruppen wie Kinder, Alte, Schwangere und chronisch Kranke schneller zu Beeinträchtigungen der Gesundheit führen können, als dies bei gesunden Menschen der Fall ist. Darüber hinaus hängt eine mögliche Toxizität chemischer Verbindungen ab von der Empfindlichkeit der jeweiligen Person, der Dispositiont sowie vom Grad der Gefährdung für einen Organismus, der sich aus der Dosis, der Dauer und der Häufigkeit aller äußeren Krankheitsbedingungen ergibt, denen er ausgesetzt ist, der Exposition.

Für die wenigsten Stoffe existieren Grenzwerte. Von den meisten Umweltschadstoffen, die der Mensch absichtlich oder unabsichtlich in den Kreislauf der Natur eingebracht hat, steht bis heute noch nicht fest, welche gesundheitlichen Schäden sie beim Menschen zur Folge haben. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zum einen ist eine direkte Beziehung zwischen Ursache (Schadstoff) und Wirkung (Krankheit) aufgrund der komplexen Vorgänge im menschlichen Organismus nur schwer nachzuweisen. Zum anderen werden Tag für Tag viele verschiedene Schadstoffe aufgenommen, deren Wirkung sich im Körper addieren, eventuell sogar potenzieren kann. Der Nachweis, dass ein Einzelstoff ein bestimmtes Krankheitsbild verursacht, ist demnach sehr schwierig.

Für eine Anzahl von Stoffen sind Grenzwerte festgelegt, um Entscheidungen im Rahmen des gebietsbezogenen oder anlagenbezogenen Immissionsschutzes rechtssicher treffen zu können. Kritisch ist allerdings anzumerken, dass sich die darauf beziehenden Regelungen meist auf ausgewählte Anlagen oder Gebiete begrenzen (z.B. im Rahmen von Luftreinhaltemaßnahmen) und Aufgaben der allgemeinen Senkung der mittleren Belastungspegel zum Ziel haben. Dadurch, dass im Bezugszeitraum dieser Grenzwerte einzelne, ausgesprochen kurzeitig auftretende Spitzenwerte nicht berücksichtigt sind, können sich für einen Menschen, der sich in diesem Zeitraum am Wirkungsort aufhält, durchaus Gesundheitsgefährdungen trotz deutlicher Unterschreitung der vorgeschriebenen Grenzwerte ergeben.

Besondere Beachtung verdienen in diesem Zusammenhang Kindergärten und Schulen, die oft in unmittelbarer Nähe von Belastungsschwerpunkten durch den Straßenverkehr liegen. Ein Großteil unserer Kinder befindet sich dann auf dem täglichen Schulweg, wenn die Schadstoffbelastungen durch den morgendlichen Berufsverkehr am höchsten sind.

Strandkind

Unter dem Vorsorgeaspekt ist davon auszugehen, dass die mittlere Belastung und einzelne Belastungsspitzen in "Kindernasenhöhe" höher sind als im Atembereich eines erwachsenen Menschen oder in der Ansaughöhe der Messstationen zur Überwachung der Luftgüte. Verkehrsverursachte Luftschadstoffe werden direkt über dem Boden emittiert, so dass in geringer Höhe eine noch nicht so ausgeprägte Verdünnung durch Vermischungsprozesse zu vermuten ist. Es ist daher nicht auszuschließen, dass unter diesem Aspekt das Risiko einer Gesundheitsgefährdung der Kinder durch Schadstoffe deutlich höher ist als beim Durchschnitt der Bevölkerung.

Obwohl die auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität zu einer deutlichen Abnahme der mittleren Belastung in den langjährigen Messreihen geführt hat, steigt die Anzahl der Lungenerkrankungen und die der allergischen Reaktionen in der Bevölkerung weiter an. Deshalb sollten Vorsorgemaßnahmen sich nicht nur am derzeitigen Stand der Gesetzgebung orientieren, sondern Umweltqualitätsziele festlegen, die die Senkung von Belastungen weit unter die derzeit gültigen Richt- und Grenzwerte beinhalten.

Kombinationswirkungen also die Potenzierung von Giften und additive Effekte bei der Ableitung von Grenzwerten sind noch nicht abschließend erforscht. Es ist deshalb besonders wichtig, die Einhaltung von Einzelgrenzwerten als alleinigen Maßstab für den Schutz der Gesundheit ständig zu hinterfragen und wissenschaftlich zu begleiten. Da einzelne Grenzwerte häufig einen Kompromiss zwischen toxikologischem Wissen und technischer Realisierbarkeit darstellen, werden sie als Vorsorgewerte entsprechend den fortschreitenden Erkenntnissen in der Wissenschaft und dem neuesten Stand der Technik überprüft und gegebenenfalls korrigiert.
Die Richtlinien 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 vom 11.6.2008, S. 1) und 2004/107/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 über Arsen, Kadmium, Quecksilber, Nickel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in der Luft (ABl. L 23 vom 26.1.2005, S. 3) sowie der Duchführungsbeschluss 2011/850/EG der Kommission vom 12. Dezember 2011 mit Bestimmungen zu den Richtlinien 2004/107/EG und 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den Austausch von Informationen und die Berichterstattung über die Luftqualität (Bekanntgegeben unter Aktenzeichen K(2011) 9068) setzen diese Erkenntnis im Bereich der Europäischen Union in Vorgaben für nationales Recht der Mitgliedsländer um.
Die Neununddreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen vom 2. August 2010 dient der Umsetzung der genannten Richtlinien in deutsches Recht.

Mit dem 1999 begonnenen Aktionsprogramm "Umwelt und Gesundheit" hat die Bundesregierung erstmals ein Konzept festgelegt, um die gesundheitlichen Folgen von Umwelteinwirkungen zu begrenzen. Es vernetzt die Politikbereiche Umwelt-, Gesundheit- und Verbraucherschutz auf Ebene der beteiligten Ministerien und Bundesoberbehörden. Die Botschaft des Aktionsprogramms lautet: Umwelt und Gesundheit gehören zusammen – Umweltschutz ist nachhaltige Gesundheitsvorsorge. Schwerpunkt sind Kinder und Jugendliche. Es fördert Forschungsprojekte und Informationskampagnen im Bereich Umwelt, Gesundheits- und Verbraucherschutz in mehreren Bundesländern. Im Rahmen des Aktionsprogramms wurde das Projekt Kinder-Umwelt-Gesundheit in den neuen Bundesländern vom Bundesumweltministerium gefördert.
In der UBA Veröffentlichung 06/2011 "Umwelt und Gesundheit" in Deutschland finden sich in dem Überblick zu Institutionen, Forschungsprogrammen und -projekten detailliertere Hinweise auf das APUG-Programm.

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